Die Angst vor der Einsamkeit überwinden: Warum eine Trennung auch ein Neuanfang sein kann
Torsten Geiling • 23. Oktober 2024
Eine Trennung ist auch ein Neuanfang

Von Torsten Geiling
Als Sandra in meine Beratung kommt, wirkt sie erschöpft. "Ich weiß, dass unsere Beziehung am Ende ist", sagt die 42-jährige Projektmanagerin leise. "Aber der Gedanke, danach allein zu sein, macht mir mehr Angst als das Zusammenbleiben." Eine Sorge, die ich in meinen Coachings häufig höre.
Die Angst verstehen
Die Furcht vor dem Alleinsein sitzt tief in uns Menschen. "Wir alle brauchen die Nähe, Fürsorge und Zuwendung anderer Menschen, um überleben zu können", erklärt der Psychotherapeut Erich Fromm. Diese Verbundenheit aufzugeben, fühlt sich bedrohlich an - selbst wenn die aktuelle Beziehung uns nicht mehr gut tut.
Diese Angst hat entwicklungspsychologische Wurzeln: Als Kinder lernen wir früh, dass Alleinsein eine Form der Bestrafung sein kann. Wenn wir nicht so funktionieren, wie es sich die Erwachsenen vorstellen, droht Liebesentzug oder wir werden ins Zimmer geschickt. Diese frühen Erfahrungen prägen unser Verhältnis zum Alleinsein nachhaltig.
Dabei ist die Angst durchaus berechtigt - sie warnt uns davor, nicht mehr dazuzugehören. Das fühlt sich lebensbedrohlich an und schürt Panik, auch wenn wir als Erwachsene rational wissen, dass wir nicht mehr von anderen abhängig sind und uns selbst gut versorgen können.
Der Teufelskreis der Abhängigkeit
Oft steckt hinter der Angst vor dem Alleinsein ein tieferliegendes Thema: mangelnde Selbstliebe. Viele Menschen holen sich in Beziehungen die benötigte Aufmerksamkeit, anstatt sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, beobachte ich in meinen Coachings. Sie saugen die Zuwendung des Partners auf wie ein Schwamm. Doch echter Selbstwert lässt sich nicht von außen aufbauen.
Das Problem: Wer seinen Selbstwert hauptsächlich aus der Partnerschaft bezieht, gerät in eine gefährliche Abhängigkeit. "Ich kann ohne meinen Partner nicht mehr leben" - dieser Gedanke schnürt vielen Menschen buchstäblich die Luft ab. Sie können ihre Entscheidungen nicht mehr unabhängig treffen. Stattdessen richten sie ihr Leben nach den Erwartungen des anderen aus, bis sie sich selbst dabei verlieren.
Eine Klientin beschrieb es einmal so: "Innerlich bin ich lange schon weit entfernt gewesen von meinem Mann. Aber ich funktionierte weiter, machte das Beste draus. Damit mein Mann und die Kinder eine heile Welt hatten und ich meine Absicherung. Aber innerlich war ich am Ersticken." Diese Form der emotionalen Abhängigkeit macht es besonders schwer, sich zu trennen - selbst wenn die Beziehung längst keine Erfüllung mehr bringt.
Der erste Schritt aus diesem Teufelskreis ist die Erkenntnis: Niemand außer uns selbst kann unser Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung dauerhaft stillen. Die Bestätigung von außen mag uns kurzfristig aufblühen lassen, aber wie ein frischer Anstrich auf morschem Holz ist diese Art "Politur" meist nicht von langer Dauer. Echter Selbstwert muss von innen wachsen - ein Prozess, der Zeit braucht, sich aber lohnt.
Übung: Der Selbstreflexions-Check
Stell Dir ehrlich folgende Fragen:
- Was macht mir am Alleinsein konkret Angst?
- Wann habe ich mich zuletzt richtig um mich selbst gekümmert?
- Was würde ich tun, wenn ich nur noch ein Jahr zu leben hätte?
- Worauf könnte ich in einer Beziehung nicht verzichten?
Diese Fragen mögen auf den ersten Blick einfach erscheinen, aber sie haben es in sich. In meinen Coachings erlebe ich immer wieder, wie aufschlussreich die Antworten sein können. "Ich hatte keine Ahnung, wie sehr ich mich selbst vernachlässigt habe, bis ich über diese Fragen nachdachte", berichtete eine Klientin. Der Check hilft dabei, zwischen echter Partnerliebe und emotionaler Abhängigkeit zu unterscheiden.
Nimm dir Zeit für die Antworten und schreibe sie auf. Wichtig ist dabei: Es gibt keine falschen Antworten. Sei ehrlich zu dir selbst. Oft zeigt sich in den spontanen ersten Reaktionen bereits, wo der Schuh drückt. Wenn du beispielsweise bei der Frage nach dem letzten Jahr deines Lebens merkst, dass du ganz andere Vorstellungen hast als dein aktuelles Leben - dann ist das ein wichtiger Hinweis. Ebenso aufschlussreich kann die Erkenntnis sein, dass die Angst vor dem Alleinsein vielleicht gar nicht so sehr die Einsamkeit selbst betrifft, sondern eher die Sorge um finanzielle Sicherheit, die Meinung anderer oder das Gefühl, deinen Partner oder deine Partnerin im Stich zu lassen.
Mache diese Übung am besten mehrmals im Abstand von einigen Tagen (und Wochen). Du wirst sehen, wie sich deine Antworten verändern und vertiefen. Das schafft Klarheit für die nächsten Schritte und hilft dir, dich selbst (wieder) besser kennenzulernen - eine wichtige Voraussetzung für eine selbstbestimmte Entscheidung über deine Beziehung.
Der Weg in die Freiheit
Auch Sandra hat sich schließlich ihrer Angst gestellt. "Ich habe verstanden, dass ich erst lernen muss, mit mir selbst klarzukommen", erzählte sie mir einige Monate nach ihrer Trennung. Sie nahm sich Zeit für sich, baute alte Freundschaften wieder auf und entdeckte neue Hobbys. Sandra hat noch keinen neuen Partner gefunden. "Natürlich vermisse ich manchmal einen Mann in meinem Leben. Aber ich weiß jetzt: Mit geht es auch alleine gut."
Professionelle Unterstützung kann helfen
Der Weg zu einem gesunden Selbstwert braucht manchmal Begleitung. In meinem Buch "Ich will mich trennen" findest du weitere Übungen und Erfahrungsberichte zum Umgang mit Trennungsängsten. Oder vereinbare gerne ein persönliches Beratungsgespräch
- gemeinsam finden wir einen Weg aus der Angst in ein selbstbestimmtes Leben.

Wenn dein Partner oder deine Partnerin dich ständig als Narzisst bezeichnet, kann dies tiefe Selbstzweifel auslösen und dein Selbstwertgefühl untergraben. Erfahre von Trennungscoach Torsten Geiling, wie du zwischen berechtigter Selbstreflexion und manipulativen Anschuldigungen unterscheiden kannst und finde den Weg zurück zu einem gesunden Selbstbild.

Lisa Jahns und Torsten Geiling zeigen in ihrem gemeinsamen Buch "Du wusstest
doch, dass ich Kinder habe! Wie du in deiner Patchworkfamilie selbstbestimmt
Grenzen setzt und ihr ein Paar bleibt" Wege zu einer authentischen Beziehung in
Patchworkkonstellationen. Als Paar, das selbst eine Patchworkfamilie lebt, und als Beziehungsberater kennen wir die stillen Zweifel, die gesellschaftlichen Erwartungen und die tiefe Sehnsucht nach einem authentischen Weg, der allen Beteiligten gerecht wird.

Nach einer Trennung verfallen viele Menschen in blinden Aktionismus und setzen sich unter Druck, alles sofort perfekt regeln zu müssen, was letztlich nur der Vermeidung schmerzhafter Gefühle dient. Torsten Geiling zeigt im Artikel anhand eines konkreten Fallbeispiels, warum bewusstes Innehalten und die Anerkennung des bereits Geleisteten zentrale Bausteine für einen gesunden Trennungsprozess sind - denn erst in diesen Momenten der Pause können wir unsere Gefühle verarbeiten und neue Kraft für die nächsten Schritte sammeln.

In persönlichen oder beruflichen Krisen neigen wir oft dazu, uns selbst zu vernachlässigen. Wir stürzen uns in Arbeit, kümmern uns um andere und vergessen dabei das Wichtigste: uns selbst. Doch gerade in schwierigen Phasen ist Selbstfürsorge nicht nur wichtig, sondern essenziell für unsere Widerstandsfähigkeit und die Fähigkeit, die Krise zum Guten zu wenden. Von Torsten Geiling ❗️Stell dir vor, du sitzt in einem Flugzeug. Plötzlich fallen die Sauerstoffmasken von der Decke. Was lautet die erste Anweisung? Richtig: „Setzen Sie zuerst Ihre eigene Maske auf, bevor Sie anderen helfen.“ 🛫 Diese Anweisung aus der Luftfahrt – „Put on your oxygen mask before you help others“ – ist nicht nur für Notfälle im Flugzeug gültig. Sie ist eine kraftvolle Metapher für unser tägliches Leben, besonders in Beziehungen und während Trennungsphasen. Denk mal darüber nach: Der einzige Mensch, mit dem du 24 Stunden am Tag zusammen bist, bist du selbst. Schon allein deshalb solltest du dafür sorgen, dass du zu Atem kommst und es dir gutgeht. 🙂 Warum ist Selbstliebe so wichtig? 1. Sie gibt dir Kraft für die Herausforderungen des Lebens - Wie eine Sauerstoffmaske versorgt Selbstliebe dich mit der nötigen Luft, um Krisen zu bewältigen. - Sie hilft dir, deine inneren Ressourcen zu aktivieren und resilient zu bleiben. 2. Sie hilft dir, gesunde Grenzen zu setzen - Selbstliebe lehrt dich, „Nein“ zu sagen, wenn etwas nicht gut für dich ist. - Sie ermutigt dich, deine Bedürfnisse zu erkennen und zu kommunizieren. 3. Sie ermöglicht es dir, authentische Beziehungen zu führen - Wenn du dich selbst liebst und akzeptierst, kannst du anderen gegenüber offener und ehrlicher sein. - Du ziehst eher Menschen an, die dich so schätzen, wie du wirklich bist. 4. Sie ist die Grundlage für echtes Mitgefühl - für dich und andere - Indem du lernst, mit dir selbst geduldig und verständnisvoll zu sein, kannst du diese Qualitäten auch anderen gegenüber leichter zeigen. - Selbstliebe hilft dir, sowohl deine eigenen Fehler als auch die anderer zu verzeihen. 🤔Denk daran: Du kannst anderen nur dann wirklich helfen, wenn du selbst stabil stehst. Nimm dir also einen Moment Zeit, um deine „Sauerstoffmaske“ aufzusetzen. Weitere Tipps und Unterstützung während einer Krise findest du auch in meinem Buch „ Ich will mich trennen “.

Eine Beziehung ist ein herausforderndes Abenteuer, das nicht immer gutgeht. An einer Partnerschaft lässt sich aber arbeiten - wenn sich die Partner respektvoll und interessiert aufeinander einlassen. Aus vielen Begegnungen und Coachings hat Trennungsberater Torsten Geiling sechs Bausteine zusammengetragen.

Fast jede zweite Ehe wird in Europa geschieden. Noch öfter gehen Beziehungen in die Brüche. Doch gibt es ein Geheimnis, wie man sich die Liebe als Paar bewahren kann? Der Systemische Coach Torsten Geiling berät seit 5 Jahren Menschen vor, während und nach ihrer Trennung. Der Trennungscoach hat zwölf Bausteine identifiziert, auf die sich eine glückliche Partnerschaft gründen lassen.
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